Was Schwangere zur Impfung wissen sollten

In Großbritannien empfiehlt man werdenden Müttern mit großem Nachdruck, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen. Hintergrund dafür ist die sich ausbreitende Delta-Variante. Wie sehen die Empfehlungen für Schwangere und Stillende hierzulande aus?


Artikel aus der Rheinischen Post vom 16. August 2021 von Tanja Walter

Die Empfehlung im Vereinigten Königreich ist eindeutig und eindringlich: Gemeinsam raten die britische Regierung sowie die dortigen Gesundheitsbehörden Schwangeren zur Impfung gegen das Coronavirus. Grund dafür ist eine neue Studie der Universität Oxford. Diese stellt in Zusammenhang mit der Verbreitung der Delta-Variante bei ungeimpften Schwangeren ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf fest. Nachfolgend die wichtigsten Fragen und Antworten rund um die neuen Ergebnisse und die Empfehlungen für Schwangere in Deutschland.

Was sagt die Studie aus Oxford über das Risiko Schwangerer?

Durch die Verbreitung der Delta-Variante hat sich das Risiko für ungeimpfte Schwangere, schwer an Corona zu erkranken und im Krankenhaus behandelt werden zu müssen, stark erhöht. 99 Prozent der ins Krankenhaus aufgenommenen Schwangeren mit Corona-Symptomen waren laut der Studie nicht geimpft. Zum Vergleich: In der Allgemeinbevölkerung sind nur 60 Prozent der Patienten, die mit Covid-19 ins Krankenhaus kommen, ungeimpft. Jede Zehnte musste intensivmedizinisch behandelt werden. Eine von fünf Schwangeren erlitt eine Fehlgeburt. Grundlage der bislang lediglich als Vorabveröffentlichung erschienenen Studie sind die Daten von 3371 Schwangeren, die von Beginn der Pandemie bis Juli 2021 mit Corona-Symptomen stationär aufgenommen wurden.

Welche Probleme treten laut der Studie besonders auf?

Im Vergleich zu der zuvor hauptsächlich grassierenden Alpha-Variante müssen Schwangere bei der Delta-Variante nicht nur häufiger intensivmedizinisch behandelt, sondern auch beatmet werden. Sie entwickeln nach der Infektion mit der Delta-Variante häufiger als bei früheren Virusvarianten, wie beispielsweise der Alpha-Variante, eine Lungenentzündung.

Wie hoch ist der Anteil an Delta-Infektionen in Deutschland?

Auch hierzulande hat sich die Delta-Variante durchgesetzt. Ihr Anteil unter allen Neuinfektionen liegt laut RKI bei mehr als 90 Prozent. Gut 57 Prozent der Deutschen sind durch ihre vollständige Impfung auch vor dieser Variante, vor allem aber vor schweren Verläufen geschützt. Allerdings befinden sich unter ihnen kaum Schwangere. Der Grund: Es gibt keine Impfempfehlung für sie. Demnach impfen Ärzte nur in Einzelfällen nach vorheriger Risikoabwägung.

Wie viele Schwangere sind bislang in Deutschland geimpft?

Das lässt sich nicht sagen. Schwangere werden nach Informationen des Robert-Koch-Instituts und der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein in der Impfstatistik nicht gesondert erfasst.

Was empfiehlt die Stiko Schwangeren in Deutschland?

Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt aufgrund nicht ausreichender Datenlage derzeit keine generelle Impfung in der Schwangerschaft. Bei Schwangeren mit Vorerkrankungen könne im Einzelfall jedoch eine Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen. Ihnen wird dann ab dem zweiten Trimenon zur Impfung – also zwischen der 14. und 27. Schwangerschaftswoche – zur Impfung geraten. „Die Stiko wird wahrscheinlich nicht vor September auf aktuelle Studien reagieren, da die entsprechenden Arbeitsgruppen sich vorher nicht treffen“, sagt Ekkehard Schleußner, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin.

Wann wird Schwangeren zur Impfung geraten?

Bei Risikoschwangerschaften und verschiedenen Vorerkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck, chronischen Lungenerkrankungen, Autoimmunerkrankungen, Adipositas oder wenn die Mutter älter als 35 Jahre ist.

Wird Stillenden die Impfung empfohlen?

Jein. Die elf deutschen geburtsmedizinischen und gynäkologischen Fachgesellschaften zur Geburtsmedizin raten Stillenden klar zur Impfung. Die Stiko hingegen bezeichnet es lediglich als unwahrscheinlich, „dass eine Impfung der Mutter während der Stillzeit ein Risiko für den Säugling darstellt“. Eine eindeutige Empfehlung für den Piks spricht die Kommission aufgrund schlechter Datenlage allerdings nicht aus.

Können Geimpfte ihr Baby stillen?

Forschungsergebnisse der Universität Harvard und des Massachusetts General Hospital in Boston lassen das Stillen nach der Impfung sinnvoll erscheinen. Die Wissenschaftler wiesen in der Muttermilch geimpfter Frauen Antikörper gegen das Coronavirus nach. Das deutet darauf hin, dass Mütter auch nach der Geburt ihre Babys durch Stillen vor einer Infektion schützen können. Die Sorge, mRNA-Spuren aus Covid-Impfstoffen könnten durch die Impfung Stillender in die Muttermilch übergehen, scheint nach den Ergebnissen einer kleinen Studie der University of California hingegen unbegründet. Die Wissenschaftler haben keine mRNA, wohl aber schützende Antikörper in der Muttermilch nachgewiesen.

Was empfehlen die Fachgesellschaften Schwangeren und Stillenden?

In einem gemeinsamen Empfehlungspapier befürworten elf geburtsmedizinische und gynäkologische Fachgesellschaften bei schwangeren und stillenden Frauen aufgrund des Impfnutzens für Mutter und Kind eine priorisierte Impfung mit einem mRNA-Impfstoff. Voraussetzung: die ausführliche Einzelabwägung durch den Arzt.

Wie stark sind Schwangere von Corona betroffen?

Schon länger beobachtet man erhöhte Risiken für Schwangere. Sie erkranken häufiger schwer und sterben im Vergleich zu gleichaltrigen Kontrollgruppen Nichtschwangerer 26-mal häufiger, hält die Empfehlung verschiedener Fachgesellschaften fest. Nach einer Infektion bestehe zudem ein um bis zu 80 Prozent höheres Risiko für eine Fehlgeburt. Auch die Rate der Totgeburten sei erhöht. Demgegenüber seien jedoch keine Fälle bekannt, in denen die Impfung größere negative Auswirkungen auf Mutter oder Kind gehabt habe, sagte Mario Rüdiger, Leiter der Abteilung für Neonatalogie und Pädiatrische Intensivmedizin am Uniklinikum Dresden, im ZDF.

Welche Länder empfehlen eine Impfung Schwangerer gegen Covid-19?

Die USA und Großbritannien raten Schwangeren dazu. Seit Januar empfiehlt Israel den Piks. Belgien, Österreich und Frankreich sind dem gefolgt. Die WHO empfiehlt länderübergreifend die priorisierte Corona-Impfung für Schwangere.

Wie viele Schwangere sind weltweit geimpft?

200.000 Schwangere haben laut Nicola Vousden, Erstautorin der britischen Studie, bereits eine Impfung erhalten. Bereits seit April empfehlen die britischen Behörden Schwangeren, sich mit den Impfstoffen von Biontech oder Moderna impfen zu lassen. 50.000 Schwangere haben sich in Großbritannien vollständig impfen lassen. In den USA waren es im April bereits 90.000.

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